Reiseroute Grenzlandritt 1994
Vogtländisch-Bayerische Grenzecke zur Bayerisch-Hessisch-Thüringischen Grenzecke
entlang des Todesstreifen

26.09.1994SammelnReiterhof Gettengrün bei Adorf mit bestem Stall.
Unterkunft Gästehaus Tiefenbrunn.
27.09.19941. RittGettengrün nach Kießling am Thüringisch-Fränischen Rennsteig des Schiefergebirgsteils.
Rösser in sehr ordentlichen Rinderoffenstall, die Reiter im Gasthof.
28.09.19942. RittKieling nach Lichtenhain im Thüringischen Schiefergebirge. Rinderoffenstall der LPG und für die Truppe ein neugestaltetes Barackenhotel der Grenztruppeneinheit.
29.09.19943. RittLichtenhain über Höhen des Thüringer Waldes in Rennsteignähe in das Linder Unterland und westlich des Frankenblickes nach Rückerswind. Die Pferde hervorragend betreut in den Ställen des Reiterhofes und die Mannschaft im Gästehaus.
30.09.19944. RittRückerswind nach Ummerstadt über Meeder zum nächsten Rinderoffenstall mit wieder ausgezeichneten Bedingungen und wir im Gasthof.
01.10.19945. RittUnd nun ins Grabfeld zum Reiterhof Römhild. Ein optimales Ziel für Pferd und Reiter
02.10.19946. RittZiel Henneberg mit Rinderoffenstall für die Rösser und Hotelbetrieb für die Reiter.
03.10.19947. RittAuf zum Ziel Frankenheim in der Röhn. Der sehr verwinkelte Grenzverlauf besorgte uns wegen der zahlreichen Warnschilder, zwar geräumt, vor möglichen Minen. Über Wildwechsel und durch einen Steinwald gelangten wir zum Rinderoffenstall. Absatteln, versorgen unserer treuen Begleiter. Abschiednehmen.

Erinnerung an den Grenzritt 1994-5 Jahre nach Fall des Stacheldrahtes, jetzt dreißig Jahre.

Am 26.09.1994 erfolgte die Anreise zum Reitstall Herzoghof / Gettengrün im Oberen Vogtland. Die Müncherner Freunde und Bekannten kamen mit ihren Privatpferden. Unsere brachte ein treuer Freund aus der Dissidenzzeit, Bernd Schmidt, von seinem Pferdehof am Elbhang in der Wollnerstraße oberhalb der Pillnitzer Landstraße in Dresden. Die Pferde waren zu aller Zufrieden­heit fachgerecht untergebracht.
Am 27.09.94 frühmorgens erfolgte der Tourstart mit Eskorte der einheimischen Reiter in Getten­grün entlang der tschechischen Grenze zum Dreiländereck–10 km nicht eingeplant. Wir ließen es uns nicht nehmen in memoriam einige Hufschläge in das Böhmische Vogtland zu setzen. Durch eine gemeinsame Galoppade verabschiedeten wir uns mit einem Dankeschön von den Begleitern.

Wir ritten zum Kolonnenweg gen Westen.
Der Mittelstreifen eignete sich ganz praktisch zum Ritt in Reihe.

In Wiedersberg mit schöner Kirche unterquerten wir die neue Autobahn nach Sachsen mit dem Anblick eines betonierten Beobachtungsturmes der DDR-Grenztruppen. Weiter in Richtung Gutenfürst, dem Bahnhof des Staatsterrorismus gegen Ausreisende, Klassenfeinde, durch die Machthaber der DDR.
Sachgerecht überquerten wir den Schienenstrang etwas südlich Münchenreuth in das Bayerische Vogtland. Flotten Rittes voran zum Mittagsziel, dem Thüringer Vogtlanddorf Mödlareuth, dem Little Berlin mit Mauer zur Teilung Deutschlands. Alle waren noch nicht dort und darob umso tiefer beeindruckt! Der Grenzbach nach Oberfranken, die Sprachunterschiede der Stammes­laute und niederschmetternd die todbringenden Grenzanlagen. Ein geschichtlicher Höhepunkt unse­res Grenzrittes.

Das Tagesziel lag noch fern. Abritt nach verspäteter Mittagsrast. Entlang des Grenzstreifen über Hirschberg nach Blankenstein, noch sehr DDR-verfallen und düster grau in grau. Ziemlich er­schöpft wurde es durchritten. Zum Endpunkt des ersten Tages ging es ungefähr 5 km bergauf. Der Rennsteig des thüringisch-fränkischen wiedervereinigten Schiefergebirges wurde mühsam er­reicht. Die Aufnahme war sehr herzlich, die Pferde wurden bei hereinbrechender Dämmerung ver­sorgt und waren gut untergebracht.

Mit dem Service-LPG-Taxi ging es zur Übernachtung. Erste Auswertung des Rittes. Die Mittel­streifen des Kolonnenweges waren nicht immer am günstigsten, viele lose Steine. Trotz erbeu­teter NVA-Meßtischkarte waren die 10 km des Startes zu viel. Wir konnten die Entfernungen wohl auch nicht richtig ablesen. Schließlich zeigte sich eine eklatante Planungsschwäche: die Höhen­meter mit Zeitbedarf hatten wir nicht berücksichtigt. Ziemlich geschafft nach der nicht so geplan­ten Langstrecke, doch alle sehr glücklich ob des guten Endes, sanken wir in den verdienten Er­holungsschlaf.

Auf in, den Frankenwald. Nach den Erfahrungen von gestern ließen wir planmäßig den Grenzverlauf des Nordzipfels Frankens aus. Da sparten wir etliche Kilometer. Nach Kreuzen der Frankenwaldhochstraße ging es auf Waldwegen, auch ein Stück Rennsteig inbegriffen, Richtung Steinbach am Wald zur Mittagsrast. Der Ort kontrastierte mit westlicher Kurorteleganz. Alles blitzsauber, die Gäste ansprechend und sehr freundliche Menschen. Alle bemühten sich, uns einen günstigen Weg zum Ziel zu erklären. Durch den herrlichen Frankenwald, wieder auf dem Kolonnenweg, ritten wir in Lich­tenhain unter dem Anblick eines an der gegen­überliegenden Bergkuppe platzierten sehr mächtig imponierenden Beobachtungturmes ein. Vieles erinnerte an die vormalige Verwendung als Stützpunkt residuell noch an. Bei herrlichem Sonnenschein Pferdepflege mit Ergebnis, einmal Satteldruck, zwei mit Lahmheiten. Bernd beortete seine Hilfstruppe mit dem Transporter nach Dresden. Ersatzrösser mußten geholt werden. Bernd standen nach der Wende genügend zur Verfügung. Alle Menschen waren sehr hilfsbereit, ob LPG-ler oder verbliebene ehemalige Ostgrenzer. Der Tag klang trotz der Pferdesorgen gut aus.

Der dritte Tag begann wieder mit den Münchnern und vollzähliger Dresdner Truppe. Das Thüringer Schiefergebirge lassen wir mit Lichtenhain hinter uns. Auf zum Grünen Herz Deutschlands, dem Thüringer Wald. Auf dem Kolonnenweg kommen wir gut voran. In Rennsteignähe reicht der Rote Berg bis 768m hoch. Nahe Spechtsbrunn gelangen wir auf das vom Kolonnenweg mit dem 50 bis 60 m durchschnittene Band des Fichtenwaldes mit der dafür gehauenen Schuß-fläche. Die Grenze ist verschwunden. Darauf einen Schluck im Sattel aus der eigens mitgeführten Bulle. Weiter geht es auf diesen Flächen nach Süden in das Oberland am Rennsteig. Ein letzter Grenzturm, jetzt als privates Mahnmal erhalten, grüßt uns in Heinersdorf. Zwischen Sonneberg-Steinbach und Föritz er­reichen wir das Unterland ziemlich verspätet in Unterlind. Der Rastplatz befindet sich vor der ural­ten idyllischen Kirche. Die Auf-und Abstiege auf den Höhen des Thüringer Waldes fordern ihren Tribut. Die Gruppe teilt sich in Transportfahrer und Gesamtstreckenbewältiger mit der bayeri­schen Führstute und Bernds spätgerissenem Trakehnerhengst. An Hönbach vorbei südlich des Frankenblickes nach Rückersgewind reitend kommen wir an das Denkmal für das dem Schußfeld geschleifte Dorf Korberoth. Eine Gedenkminute wird eingelegt. Im Reiterhof wiederum herz­licher Empfang. Die Pferde werden uns abgenommen und bestens versorgt. Der Abendschmauß nach thüringer Art beschließt einen beeindruckenden Tag.

Welch eine Freude! Von Anlagen des Todesstreifen mit Stacheldraht auf den Höhen des Thüringer Waldes ist nichts mehr sichtbar. Im Glücksgefühl der Freiheit ist darauf ein Schluck aus der Bulle auf der Tour vom Vogtland in die Rhön erlaubt und dem Anlass angemessen.

Welch eine Freude! Von Anlagen des Todesstreifen mit Stacheldraht auf den Höhen des Thüringer Waldes ist nichts mehr sichtbar. Im Glücksgefühl der Freiheit ist darauf ein Schluck aus der Bulle auf der Tour vom Vogtland in die Rhön erlaubt und dem Anlass angemessen.

Luftbild Sonneberg Höhnbach von Claus Schunk

Von Unterlind ritten wir in Richtung westwärts weiter. Die Luftaufnahme unse­res Freundes Claus Schunk nach der Wende zeigt die Nähe des Kolonnenwe­ges zu Sonneberg, seiner früheren Geburtsstadt. Oben rechts sind DDR-Neu­baublöcke, der Wolkenrasen, sichtbar.
Darunter beginnt die Abbildung des Kolmmenweges mit dem Verlaufsbeginn deutlich erkennbar. Dort ist jetzt eine Kauflandschaft fiir Ost und West. Wir beweg­ten uns westlich davon. Südlich des Dorfes Hönbach endet der Kolonnenweg zum Abbiegen nach rechts an einem in Bildmitte am Rand erkennbaren kleinen Ge­bäude.
Das ist die kleine Friedhofskapelle des Ortes. Zweimal im Jahr durften die Ein­wohner für zwei Stunden unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen zur Andacht zum Gedenken dorthin – Totensonntag und Weihnachten.

Unser Ritt führte in das mit jugendlicher Birkenbewaldung ansteigende Gelände. Auf der Höhe folgte ein weiterer emotionaler Höhepunkt am Gedenkstein für das Dorf Korberoth.

Abritt mit Eskorte des Reiterhofes Rückersgewind und Abschied von unserem treuen Verwandten und Manager der letzten zwei Tage, Rainer Roselt, aus Sonneberg. Über Steilhänge hinab in das Lautertal entlang der Langen Berge, dann nördlich von Meeder darüber. Immer mit nahem Blick auf Coburg. Früher war nur sehnsuchtsvoll die Veste Coburg von der Neufänger Höhe bei guter Sicht erkennbar.

Rast bei Meeder

Rast in der Nähe von Meeder

Von dort zum Grenzstreifen vorbei an der STASI- und VP-Heilstätte Bad Colberg. Schließlich immer mit Veste Heldburg-Blick zum Kolonnenweg und dann waren wir am Nachmittag am Ziel in Ummerstadt. Nicht so geschafft wie nach den Vortagesetappen wurden die Pferde versorgt und ab ging es in das Wirtshaus.

Dort gab es eine Überraschung. Am Stammtisch sitzend, ehrenvoll aufgenommen, hörte ich, eine Frau wolle den Professor sprechen. Sie brachte dankbar südthüringische Würste für ihr vor Jahren geleistete Hilfe. Trotz starker Schmerzen und fast völliger Gehunfähigkeit wollte sie wegen ihres Alters niemand operieren. So kam sie nach Dresden. Ich setzte ihr beidseitig künstliche Hüft­gelenke Schweizer Machart mit Knochenzement ein. Die Schmerzen waren weg und die Geh­fähigkeit war ganz gut wiedererlangt. Das war damals vor über 15 Jahren.

Eine zweite Anektode zu Ummerstadt. 1957 leistete ich meine sozialmedizinische Pflichtfamulatur als Student der Medizinischen Akademie Erfurt im Rat des Kreises Hildburghansen, Abt.Gesundheitswesen, ab. Dazu gehörte die Schwangerenberatung in Ummerstadt. So fuhr ich jeden Freitag mit meiner AWO-Sport über der Staufenhain, voller Obstplantagen, dorthin. Die erste VP-Kontrolle erfolgte nach den lieblichen Hügdn. Weiter mit Veste Heldburg-Blick nach Ummerstadt zur scharfen Kontrolle vor dem Ort. Nach Abschluß meiner Sprechstunde erfüllte ich den gesamtgesellschaftlichen Auftrag der Mitarbeiter des Gesundheitsamtes. Ich mußte so viele wie zu transportiernde große runde Landbrote des dortigen Bäckers mitbringen. Sonst unerreichbare Ware aus dem Sperrgebiet an der Westgrenze, gedanklich schon fast aus dem Westen.

Ein paar Bier schmeckten an dem Tag besonders gut.

Am nächsten Morgen verlassen wir gut erholt und bestens gelaunt das früher ziemlich traurig er­scheinende Ummerstadt als jetzt strahlende renovierte Gemeinde – Westfarben ermöglichten dies.

Über Hellingen und dem buntgefärbten Hellinger Berg, den gibt es wirklich, hin zum Grenzstreifen. An einer asphaltierten Wegekreuzung lagen mehrere große Haufen aufgerollten Grenzzaundrahtes zum Abtransport. Das war der einzige Anblick, durchaus befriedigend, der schrecklichen Zaunanla­gen. An der Straße der Fachwerkromantik bliesen wir zur Reitpause, drehten nach rechts in das fla­che Land nach Albinghausen. Leider gab es keine Brotzeit zu Mittag, Getränke schon und eine Ruhestätte um den Dorfbrunnen. Erfrischt geht es wieder zum Kolonnenweg. Auf schöner ebener Fläche gehen unsere Rösser gern in den Galopp. Das Grabfeld mit seinem kupierten Gelände erlaubt uns auch kurze Trabreprisen. Die Gleichberge vor uns erreichen wir bald unser Ziel, den Reiterhof in Römhild. Es ist eine stattliche Anlage. Für die Pferde gibt es eine schöne Abwechslung. Vor dem Einrücken in den Stall geht es auf die Koppeln zum Freibewegen.
Wir nehmen auf der schönen Terrasse Platz und genießen ein Bier aus der ehemals einzigen Privat­brauerei der DDR vom benachbarten Dingsleben.

Am vorletzten Tag unserer Tour geht es von Römhild zur Grenze mit leichten Erhebungen schon bis 500 m.Die Mellrichstätter Höhe wird noch östlich überwunden.Erste stärkere Ermüdungen wer-den vermeldet.Schlußendlich sind in Schwickershausen alle geschafft!Zur Rast kurze Beratung mit dem einstimmigen Beschluß des Umstieges auf die zu rufenden Transporter für die Fahrt in das geschichtsträchtige Henneberg.Regeneration ist angesagt.

Am vorletzten Tag unserer Tour geht es von Römhild zur Grenze mit leichten Erhebungen schon bis 500 m. Die Mellrichstätter Höhe wird noch östlich überwunden. Erste stärkere Ermüdungen werden vermeldet. Schlußendlich sind in Schwickershausen alle geschafft! Zur Rast kurze Beratung mit dem einstimmigen Beschluß des Umstieges auf die zu rufenden Transporter für die Fahrt in das geschichtsträchtige Henneberg. Regeneration ist angesagt.

Die Schlußetappe beginnt früh. Immerhin wollen wir vor Dunkelheit am Zielort Frankenheim er­scheinen. Bald sind wir in den Bergen des Rhönblickes. Schließlich gelangen wir in die Nähe von Erbenhausen und frühere Jagderinnerungen werden wach. Der Ritt an der Grenzlinie ist durch Winkel und Kurven erschwert. Überall stehen die Warnschilder vor möglichen Restminen. Die Stimmung steigt darum nicht. Da beschlossen wir nach der Himmelsrichtung zum Ziel zu reiten. Erst führte ich die Gruppe auf einem gut begangenen Wildwechsel über eine kleine Talsenke in den höhergelegenen Wald. Dort übernahm Bernd das Kommando. Zwischen uralten Buchen ging es steil aufwärts. Absitzen und mit Pferden am Zügel mußten große Felsbrocken, hohes Unkraut und zuletzt eine ziemlich dichte Hecke überwunden werden. Wir waren auf dem Plateau von Frankenheim im thüringisch-bayerischen-hessischen Grenzgebiet angelangt. Große Freude. Der LPG-Offenstall, zufällig getroffen, lag wenige hundert Meter vor uns. Wir saßen wieder auf und absolvierten das Ende stilgerecht.
Absatteln, versorgen der Pferde und loben, herzen mit Leckerli. Alle vierbeinigen Kameraden sind topfit! Gegenseitige Glückwünsche der Reiter und ein großes Dankeschön für Bernd Schmidt mit seiner Dresdner Pferdetruppe. Wir haben wohl eine längere Distanz als geplant überwunden, sowie viele viele Höhenmeter bewäl­tigt. Und das alles mit ernstem Hintergrund und in Dankbarkeit für unser aller Freiheit!

Deshalb auf die Fahrzeuge zum neugebauten Hotel in Oberweid. Dort beginnt unsere Feier zum Tag der deutschen Einheit! Alle Reiter und Helfer, Bernds Truppe aus Dresden, Freunde und Ver­wandte der Münchner Reiter, mein Jagdfreund und illegaler Dissidentenunterstützer aus Schmal­kalden-Weidebrunn Horst Danz mit Gattin und Familie Werner Steller aus Kronach, die großen Hel­fer nicht nur mit permanenten Paketsendungen während der über fünfjährigen Dissidenz.

Dreißig Jahre Zeitgeschichte sind in das Land gegangen.Zeit für eine angemessene Erinnerung.

Prof.Dr.Johannes Hellinger

Pressestimmen:

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